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CONFISERIE SCHIESSER

Im Gespräch mit Rosalba Schiesser

Foto: Tim Lüdin


Vor drei Jahren feierte die Confiserie Schiesser am Basler Marktplatz den 150. Geburtstag. Rosalba und Stephan Schiesser führen sie in vierter Generation. Seit 2018 ist Rosalba Schiesser Gesch.ftsführerin des Haupthauses und der 2005 eröffneten «Chocolaterie», der Filiale im Gebäude der UBS an der Aeschenvorstadt 1. Für BaslerIN schildert sie ihr Leben zwischen Tradition und Gegenwart.


Schwarz-Weiss-Fotos: zVg von Confiserie Schiesser


Die Confiserie Schiesser ist eines der ältesten Kaffeehäuser der Schweiz und eines der seltenen Beispiele, bei denen weitgehend noch alles im Originalzustand ist, nicht nur baulich,

sondern auch inhaltlich. Denn als «Café, Tea-Room, Confiserie zum Rathaus», wie es am Haus

zu lesen ist, pflegt die Confiserie Schiesser bis heute die klassische schweizerische Tradition

der Verbindung von Kaffeehaus, Salon de Thé und der Zuckerbäckerei.


Können Sie etwas über die Zuckerbäcker in der Schweiz und zu den Schiesser-Vorfahren sagen?

Vom 17. bis 20. Jahrhundert waren vorwiegend die Bündner Zuckerbäcker in ganz Europa berühmt und in besonderem Masse geschätzt. Die Familie Schiesser kam 1870 jedoch aus dem Glarnerland nach Basel. Übrigens: Frauen waren in diesem Metier schon immer essenziell. Sie arbeiteten und bestimmten mit und haben, wie im Falle unseres Grossvaters, der an der Spanischen Grippe starb, den Betrieb allein weitergeführt.


Seit eh und je steht an der Fassade der Confiserie Schiesser «Café, Tea-Room, Confiserie zum Rathaus». Auch die Adresse ist seit der Gründung von vor mehr als 150 Jahren der Marktplatz in Basel, doch die ursprüngliche Hausnummer war 15, nicht wie heute 19. Seit wann ist das so und warum?

Die heutige Fassadenbeschriftung stammt aus der Zeit nach 1910, als im Zuge der Marktplatzerweiterung die Häuserzeile zwischen Hutgasse und Sattelgasse komplett erneuert und dafür neu parzelliert wurde. Der Neubau steht am ursprünglichen Ort. Wenig später wurden Räume im benachbarten Eckhaus dazu gemietet, die u. a. den Tea Room im ersten Stock erweiterten.



Schiesser ist nicht nur ein Laden, sondern auch ein Café und ein Tea Room. Worin besteht der Unterschied zwischen den drei Bereichen?

Das Café steht in der Tradition des Kaffeehauses, das früher nur von Männern besucht wurde.

Es hat dunkle Holzwände und dunkle Holzmöbel. Der Tea Room hat eine weibliche Tradition.

Es hat eine helle Einrichtung und wurde früher hauptsächlich von Frauen besucht, die den feinen Tee mit Kuchen und aufwendiger Patisserie genossen.


Eine Confiserie ist eine Zuckerbäckerei und verkauft Konfekt. Ein Café bietet Kuchen, ein Tea Room auch Herzhaftes – ist Schiesser eine Confiserie, eine Konditorei oder eine Bäckerei?

Ja, eine Confiserie wird auch Konditorei oder Zuckerbäckerei genannt. Das ist ein Handwerksbetrieb, in dem süsses Gebäck und feines Salzgebäck von Hand produziert werden. Die Konditorei grenzt sich von der Bäckerei dadurch ab, dass dort keine Brotwaren produziert werden. Dies spielt auch in der Arbeitszeit eine sehr grosse Rolle. Während die Bäcker bereits ab 2 Uhr nachts arbeiten, können unsere Konditoren noch ausschlafen, da wir erst um 7 Uhr starten.


Als unser Ur-Grossvater Rudolph Schiesser den ersten Konditor-Confiseur-Verein in Basel

mitgründete, wurde das Handwerk «Zuckerbäcker» in «Konditor» umbenannt. In der Schweiz

heisst die korrekte Berufsbezeichnung «Konditorin-Confiseurin». Zu den anspruchsvollsten Arbeiten gehört die Herstellung von Wunsch- und Hochzeitstorten. Ein Spezialgebiet gehört dem Chocolatier. In der Chocolaterie-Abteilung werden nebst Schokolade, Schokoladen- figuren und -spezialitäten auch Pralinés produziert. Sie gelten aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung als die Krönung der Chocolatiers-Kunst.



Im Herzen der Stadt gelegen, stellt sich die Frage: Wo werden die so unterschiedlichen Waren für den Verkauf in der Confiserie und den Verzehr im Café und dem Tea Room produziert? Was ist hausgemacht, was eingekauft?

Wir haben im Haus eine Backstube, eine Chocolaterie sowie eine Patisserie-Abteilung und

produzieren alle Spezialitäten selbst. Sämtliche Rohstoffe werden so regional wie möglich eingekauft. Einige unserer Lieferanten beliefern uns bereits seit Generationen.


Was bedeutet es, ein Haus zu führen, das einen prominenten Ort so lange mitgeprägt hat? Ist

es eine Verpfl ichtung? Eine Ehre? Oder mitunter auch eine Last?

Es ist hauptsächlich eine grosse Ehre und Freude! Die Pfl icht sehe ich darin, die Tradition, die

hochstehende Qualität sowie unsere Gastfreundschaft zu leben und zu erhalten. Eine Last sehe ich in der erdrückenden Bürokratie sowie den aktuellen Rahmenbedingungen. Seit der Pandemie haben uns die übertriebenen Reglemente, Vorgaben, ständig wechselnden Auflagen und Verbote sehr unter Druck gesetzt und nur geschadet. Auch die massiven administrativen Kontrollen durch diverse Behörden und deren Aufwände sind reine Schikane. Wir sind keine Juristen, sondern immer noch leidenschaftliche Gastgeber.


Wie leben Sie den Spagat zwischen Tradition und Gegenwart? Was empfinden Sie als erhaltenswert und warum? Wo lassen Sie Neues zu?

Zwischen Tradition und Gegenwart sehe ich keinen Spagat, sondern eher eine Brücke, die

auf jeden Fall erhaltenswert ist. Auch die über hundertjährigen altbewährten Rezepte dürfen

nicht geändert werden. Das erwartet unsere Kundschaft in konstanter Qualität von anno

dazumal! Dabei sind wir auch stets offen für Neues, primär betreffend unsere Lernende, die

immer wieder moderne Kreationen ausprobieren und herstellen.


Der Spagat in meinem Leben ist eher woanders zu fi nden: Mein Mann Stephan und ich haben zwei Kinder und führen gemeinsam eine altehrwürdige Institution mit 32 Mitarbeitenden während sehr schwierigen Zeiten. Als moderne Frau habe ich den Anspruch, Familie, Haushalt und Confiserie perfekt zu meistern und mich dabei nicht selbst zu verlieren.



Sie sind die erste Geschftsführerin des Betriebs, die mit ihrer Familie nicht im Schiesser-Gebäude wohnt. Was ist in Ihren Augen der Vorteil? Gibt es auch Nachteile?

Für mich gibt es keinen Feierabend in diesem Sinne. In Gedanken bin ich permanent bei der

Arbeit. Die räumliche Distanz hilft dennoch, etwas Abstand zum Geschäft zu gewinnen. Da wir

in Fussdistanz wohnen, gibt es keine Nachteile.


Sie sind gebürtige Italienerin. Wann kamen Sie nach Basel und weshalb? Was lieben Sie in und an Basel?

Meine Eltern sind in den 1970er-Jahren aus Süditalien nach Bad Säckingen emigriert. Ich hatte

eine wunderschöne Kindheit im badischen Ambiente. Nach dem Wirtschafts-Abitur war ich für

eine Unternehmensberatung tätig, deren Hauptsitz in Reinach war. Somit zog ich von meinen

Eltern weg ins Baselbiet. Das war damals sehr dramatisch: Meine Eltern hatten längst auf eine

Hochzeit mit einem Italiener gewartet. Stattdessen zog ich nun unverheiratet in ein anderes

Land. Ein paar Jahre später wurde ich GF-Assistentin im Ristorante Da Roberto in der Küchengasse. Fünf Jahre später wurde mir eine Stelle in der Geschäftsleitung der legendären Confiserie Frey am Bahnhof angeboten. Während dieser Zeit lernte ich Stephan Schiesser kennen. 2005 zog ich zu ihm nach Basel. Somit ist die Antwort klar: In die Stadt Basel kam ich der Liebe wegen. Was ich sonst noch an Basel liebe, ist die lässige Lebendigkeit der Baslerinnen und Basler, die Weltklassenkultur und -kunst sowie die regionale Schoggi- und Kaffeehauskultur.


Ausserdem gefallen mir das mediterrane Ambiente der Stadt sowie die kurzen Wege. Es ist ein grosses Privileg und eine Freude, zu Fuss zur Arbeit oder zum Einkaufen zu gehen, zu flanieren oder auch abends nach dem Ausgehen nach Hause zu spazieren. Ich liebe und lebe die Basler Gastronomie. Mich trifft man entweder in einem belebten Basler Café (nicht nur im Schiesser) oder in einem gemütlichen Basler Restaurant.


Text: Ulrike Zophoniasson

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