Eine Ikone der Gegenwartskunst
Von Michèle Faller
Kunst bestimmte ihr Leben. Und sie selber bestimmte mit, wie bedeutend Basel heute in Bezug auf die Gegenwartskunst ist: Maja Sacher-Stehlin. Die 1896 geborene Architekten-tochter studierte in München Bildhauerei und ging in Paris beim Bildhauer Antoine Bourdelle in die Lehre. 1921 heiratete sie den gleichaltrigen Emanuel Hoffmann, mit dem sie zuerst in Paris und ab 1925 in Brüssel lebte. 1930 zog die mittlerweile fünfköpfige Familie nach Basel, wo Emanuel Hoffmann seither Vizedirektor der Hoffmann-La Roche war.
In Emanuel Hoffmann fand die junge Frau jemanden, der mit ihr die Begeisterung für die zeitgenössische Kunst teilte. Bereits in Paris und Brüssel hatte das Ehepaar Kontakte zur jungen Kunstszene geknüpft und erste Werke befreundeter Künstler angekauft. Zurück in Basel ging die Sammlungstätigkeit weiter, Emanuel Hoffmann wurde 1932 zum Präsidenten des Kunstvereins Basel gewählt und wurde zu einer Identifikationsfigur des Basler Kulturlebens.
Maja Hoffmann-Stehlin tat es ihrem Mann gleich, doch einen der folgenreichsten Schritte in ihrem Engagement musste die junge Kunstsammlerin alleine tun, denn ihr Mann Emanuel starb 1932 an den Folgen eines schweren Autounfalls. «Um das Wichtigste der Tätigkeit meines Mannes einigermassen weiterführen zu können», wie in der Stiftungsurkunde nachzulesen ist, gründete Maja Hoffmann-Stehlin 1933 die Emanuel Hoffmann-Stiftung. Dass besagte Tätigkeit durchaus eine gemeinsame war, zeigte die Art und Weise, wie konsequent und geradezu visionär Maja Hoffmann-Stehlin sich für die neue Kunst einsetzte: «Aus dem Stiftungsertrag sind Werke von Künstlern zu kaufen, die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Gegenwart noch nicht allgemein verstandenen Ausdrucksmittel bedienen», ist der Stiftungsurkunde weiter zu entnehmen.
Dass es ihr mit dem Sammeln, Konservieren und Sichtbarmachen von zukunftsgerichteter Kunst ernst war, zeigte Maja Sacher-Stehlin – 1934 hatte sie den Dirigenten Paul Sacher geheiratet – auf eindrückliche Weise. Sie fungierte als Präsidentin der Stiftung und war von 1940 bis 1964 als erste Frau Mitglied der Kunstkommission der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, wobei sie bereits 1941 die Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung der Öffentlichen Kunstsammlung Basel als Depositum übergab.
Bild: Andy Warhol
Maja [Maja Sacher-Stehlin], 1980
Siebdruckfarbe auf Acryl auf grundierter Leinwand
(101.5 x 101.5 cm)
Emanuel Hoffmann-Stiftung, Depositum in der
Öffentlichen Kunstsammlung Basel
Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler
1980 initiierte Maja Sacher-Stehlin mit einer grosszügigen Schenkung sogar das weltweit erste Museum für Gegenwartskunst, das heutige «Kunstmuseum Basel Gegenwart» am St. Alban-Rheinweg. So wurde die Sammlung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht – heutige Klassiker der Moderne wie Werke von Paul Klee und Hans Arp oder prominente Werkgruppen von Joseph Beuys und Bruce Nauman, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren angekauft wurden, haben sich zu den flämischen Expressionisten der Anfänge gesellt. Ebenfalls 1980 porträtierte Andy Warhol die Stiftungsgründerin in einer fünfteiligen Serie und machte die Kunstsammlerin damit definitiv zur Ikone.
Heute ist die Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung so umfangreich, dass nur noch ein kleiner Teil im Kunstmuseum Basel gezeigt werden kann. Den gleichen Weg wie ihre Grossmutter gehend, rief die Enkelin der Stiftungsgründerin, Maja Oeri, das Schaulager ins Leben, wo seit 2003 die Werke der Sammlung aufbewahrt werden.
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